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Bildung + Innovation Das Online-Magazin zum Thema Innovation und Qualitätsentwicklung im Bildungswesen

Erschienen am 14.09.2023:

„Erfolgreiche Digitalisierungsprozesse brauchen umfassende Transformationsbemühungen.“

Das BfB unterstützt Schulen bei ihrem Digitalisierungsprozess und entwickelt den Digitalen Bildungsraum (BIRD) mit
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Bildrechte: Dr. Christian J. Büttner

Das Bündnis für Bildung (BfB), dem seit 2011 rund 140 Mitglieder wie Kommunen und Städte, Bundesländer, aber auch große IT-Unternehmen, Schulausstatter und Schulbuchverlage angehören, unterstützt die Schulen bei ihrem Digitalisierungsprozess. Die Online-Redaktion von „Bildung + Innovation“ sprach mit Dr. Christian J. Büttner, Leitender Direktor des Instituts für Pädagogik und Schulpsychologie der Stadt Nürnberg (IPSN) und 1. Vorsitzender des BfB, über das Projekt „Schultransform“ und die Beteiligung des BfB an dem Digitalen Bildungsraum (BIRD).

Online-Redaktion: Die Digitalisierung stellt die Schulen vor große Herausforderungen. Sie waren bis 2021 für die Digitalstrategie der Stadt Nürnberg verantwortlich und sind aktiv im Bündnis für Bildung beteiligt. Wie unterstützt das BfB mit dem Projekt „Schultransform“ diesen Entwicklungsprozess?

Büttner: Digitalisierung in der Schule ist weit mehr als die Ausstattung aller Klassenräume mit WLAN und Tablets. Erfolgreiche Digitalisierungsprozesse brauchen umfassende Transformationsbemühungen. Schulträger und alle an Schule Beteiligte müssen den Prozess gemeinsam gestalten. Mit dem Projekt „Schultransform“ unterstützen wir die Schulen bei der Vernetzung der Beteiligten, fördern den Austausch von Schulen untereinander sowie mit ihren Schulträgern, helfen bei der Bedarfsanalyse und begleiten beratend den Transformationsprozess. Das Projekt „Schultransform“ führt das BfB gemeinsam mit Helliwood media & education im Auftrag des BMBF durch, wissenschaftlich begleitet wird es von Prof. Dr. Uta Hauck-Thum (Ludwig-Maximilians-Universität München), Prof. Dr. Birgit Eickelmann (Universität Paderborn) und Dr. Markus Schäfer (Universität Siegen).

Online-Redaktion: Wie kann eine Schule den Transformationsprozess am besten beginnen?

Büttner: Transformationsprozesse sind sehr individuell. Deshalb gibt es nicht das eine Patent-Rezept. Wichtig ist jedoch, dass eine Schule weiß, wo sie aktuell in ihrem Entwicklungsprozess steht und wo sie sich in einer Kultur der Digitalität hin entwickeln möchte. Um sich dessen bewusst zu werden, ist es wichtig, eine Selbsteinschätzung durchzuführen, eine Ist-Stand-Analyse. Im Rahmen des Projekts „Schultransform“ geben wir den Schulen ein konkretes Handwerkstool an die Hand, mit dem sie einschätzen können, wie weit sie in diesem Veränderungsprozess schon fortgeschritten sind und in welchen Handlungsfeldern noch Verbesserungsbedarf besteht. Mittels Fragebögen können Schulen ihren Schulentwicklungsprozess ganzheitlich betrachten und den eigenen Entwicklungsstand in sechs verschiedenen Handlungsfeldern zu den Themen Vision, Leadership, Lehren und Lernen, Personalentwicklung, Ausstattung und Support sowie Lernräume gemeinsam mit ihrem Kollegium evaluieren. Auf Basis der beantworteten Fragebögen erhält eine Schule eine Potenzialanalyse, in der Stärken und Entwicklungsbereiche datengestützt dargestellt werden. Mithilfe der bedarfsgerechten Handlungsempfehlungen kann die Schule dann zielgerichtet ihre nächsten Schritte im Transformationsprozess gehen. Wenn die Schulen Fragen haben, beraten wir sie in Online-Sprechstunden und Austauschrunden. Das Projekt wird allen Schulen kostenfrei zur Verfügung gestellt. Anmelden kann sich jede Schule einfach online unter schultransform.org.

Online-Redaktion: Was müssen die Schulen beachten, wenn sie ihr Schulentwicklungsprogramm erstellen?

Büttner: Die Erstellung des Schulentwicklungsprogramms sollte ein kollaborativer Prozess sein und neben dem Schulleitungsteam und dem Kollegium auch die Schüler*innen, Eltern, den Schulträger und externe Kooperationspartner einbeziehen. Wichtig ist zunächst gemeinsam eine Vision zu erarbeiten: Wie soll das Lehren und Lernen in einer Kultur der Digitalität an unserer Schule aussehen? Von großer Bedeutung ist auch das Thema Leadership, d.h. wie kann die Schulleitung den Prozess führen. Davon ausgehend lassen sich dann einzelne Ziele formulieren, z.B. nach der Lehr- und Lernkultur - verändert sich zum Beispiel durch die Digitalisierung die Rolle der Lehrkraft - oder pädagogische und didaktische Fragen nach dem, wie will ich arbeiten? Denn ich habe digital ganz andere Möglichkeiten zu unterrichten, z.B. an verschiedenen Lernorten und kollaborativ. Auch das Thema Lehrer*innenfortbildung ist ein wichtiger Bereich. Und natürlich die Ausstattung. All das muss gemeinsam gedacht werden und Hand in Hand gehen.

Online-Redaktion:
Wie wird das Angebot von Schultransform angenommen?

Büttner: Das Angebot wird sehr gut angenommen. Es gestaltet sich als echtes Erfolgsprojekt! Wir stellen es auch auf zahlreichen Messen und Tagungen, z.B. der didacta, LEARNTECH oder dem Deutschen Schulleitungskongress (DSLK) vor, wo wir viele Lehrkräfte und Schulleiter*innen antreffen. Aktuell nutzen bereits über 500 Schulen, darunter sehr viele Grundschulen, sowie über 60 Schulträger die Angebote. Es war ein gewisses Neuland, Schulträger und Schulen miteinander zu verknüpfen und Schulentwicklung sichtbar zu machen. Aber das ist ein wichtiger Baustein zum Gelingen des Digitalisierungsprozesses. Und durch die Standardisierung der Fragebögen ist eine bessere Eigeneinschätzung und Vergleichbarkeit im anonymen Bereich gegeben. Zukünftig wollen wir die Zielgruppen um Schüler*innen, Eltern und Schulaufsichten sowie die Themen der Fragenbögen um MINT, Bildung für nachhaltige Entwicklung (BNE) und Chancengleichheit erweitern. Außerdem planen wir auch einen Ausbau der begleitenden Unterstützungsleistungen und der Zusammenarbeit mit weiteren Kooperationspartnern aus den Ländern.

Online-Redaktion: Das Bündnis für Bildung ist noch an einem weiteren Projekt beteiligt. Das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) plant eine Nationale Bildungsplattform (NBP), die bundesweit alle digitalen Bildungslösungen und -akteur*innen in einer Meta-Plattform zusammenführen will. Was kann man sich darunter vorstellen?

Büttner: Die NBP ist in dem Sinne keine Plattform, sondern vielmehr die Vision, eine Infrastruktur zu etablieren, die bereits bestehende und zukünftige Bildungsangebote bundesweit und international anschlussfähig vernetzen soll. Dabei sind drei Kernfunktionen vorgesehen: Zunächst ist es wichtig, ein geteiltes Metadaten-System zu entwickeln, über das sich alle angebundenen Akteur*innen und Angebote verorten und sich beispielsweise auch Suchergebnisse und Empfehlungen qualifizieren lassen. Das Metadaten-System bietet somit eine Orientierung im digitalen Bildungsraum, beispielsweise wenn ich wissen möchte, wie ich als Schüler*in mein Bildungsprofil ideal ergänzen kann, um mich für eine bestimmte Ausbildung oder einen Job zu qualifizieren. Der zweite Kernaspekt ist die sogenannte Data Wallet, die Nutzenden ermöglichen soll, ihre persönlichen Daten wie beispielsweise Zeugnisse und Learning Analytics selbstbestimmt zu speichern und zu verwalten. Das ist ein wichtiger Fortschritt der digitalen Selbstbestimmung, um eine klare Agenda für die eigene Bildung entwickeln und realisieren, aber auch Verwaltungsprozesse mit einem Bruchteil des Aufwandes bewerkstelligen zu können. Und der dritte Kernpunkt schließlich ist der Single-Sign-On. Nutzende werden einen Login für die gesamte Infrastruktur und den digitalen Bildungsraum haben. D.h., jede*r muss sich nur einmal anmelden und kann sich zwischen den Systemen bewegen, ohne sich immer wieder neu anmelden zu müssen. Die Nationale Bildungsplattform soll somit nichts an der bestehenden Bildungslandschaft ändern, sondern alle bestehenden und zukünftigen Plattformen, Netzwerke und Verwaltungsstrukturen miteinander sprechfähig machen und einen effizienteren, sichereren und insgesamt wertvolleren Zugang für alle ermöglichen.

Online-Redaktion: Das BfB ist an der Entwicklung des Prototypen BIRD beteiligt. Welche Ziele verfolgt BIRD?

Büttner: Das Forschungsprojekt BIRD, kurz für Bildungsraum Digital, beschäftigt sich bis März 2025 mit der Erforschung und Entwicklung eines Referenzprototypen für die Nationale Bildungsplattform. BIRD ist ein Verbundprojekt, das zehn Partner aus allen Bereichen der Bildungsforschung vereint und dabei von der Universität Potsdam geleitet wird, um sowohl technische als auch politische, bildungswissenschaftliche und pädagogische Expertise zu koordinieren. So konnte BIRD in der bisherigen Projektlaufzeit beispielsweise rund 60 weitere Förderprojekte an den BIRD-Prototypen anbinden, um Nutzungsszenarien in einem Labor-Setting zu erforschen. Durch die Entwicklung und Erprobung des BIRD-Referenzprototypen vor der Umsetzung der NBP sammelt das Projekt und somit das BMBF wertvolle Erfahrungswerte für die Ausschreibung und Umsetzung einer Nationalen Bildungsplattform.

Online-Redaktion: Wie bringt sich das BfB an der Entwicklung von BIRD ein?

Büttner: Das BfB stellt in diesem Projekt-Setup ein wichtiges Verbindungsstück zwischen dem Forschungsraum und den Akteur*innen der Bildungslandschaft dar und sichert somit, dass es enge Feedbackschleifen zwischen konkreten Anforderungen der Bildungsrealität und Möglichkeiten der Bildungsforschung geben kann. Die Problematik, die wir ja oft haben, ist, dass gerade im technischen Bereich Dinge entwickelt werden, die an den Bedürfnissen der Kunden vorbeigehen. Das BfB stellt die Schnittstelle zwischen der Bildungs- und der Technikwelt dar und trägt das Thema in die Öffentlichkeit. Konkret machen wir das im Arbeitspaket „Dissemination“ des BIRD-Projektes. Das bedeutet, dass wir Impulse aus unserem Netzwerk in das Forschungsprojekt einbringen, aber umgekehrt auch aus dem Projekt heraus unser Netzwerk informieren und involvieren. So gibt es regelmäßige BIRD- und NBP-bezogene Austauschrunden mit Mitgliedern in der BfB-Arbeitsgruppe „Interoperabilität und Datenschutz“, aber auch BIRD-seitige Workshops, bei denen inhaltliche Impulse des Bündnisses für Bildung, beispielsweise zu Interoperabilisierungs- und Standardisierungsfragen oder Themen des Stakeholder-Managements, eingebracht werden.

Online-Redaktion: Wie können zukünftig alle an Schule Beteiligte von dieser Nationalen Bildungsplattform profitieren?

Büttner: Indem die Barrieren zwischen Nutzenden, Angeboten und Verwaltung aufgelöst beziehungsweise eindeutig organisiert werden und wir einen eindeutigen Login für die Bildung haben, öffnet sich ein endloser Horizont entlang des lebenslangen Bildungswegs. Über eine gemeinsame Bildungsinfrastruktur kann jeder Mensch mit einem digitalen Endgerät prinzipiell jedes Thema und jede Fähigkeit erschließen. Die Idee der NBP ist ja, dass jede*r sein Leben lang barrierefrei seine Daten, sein Portfolio, seine Inhalte mitnehmen kann und dabei immer klar identifizierbar ist. In diesem großen Lernportfolio muss man, wenn man zum Beispiel die Bildungseinrichtung wechselt, nicht alle Daten von Neuem eintragen. Wenn aktuell ein Kind von Bremen nach Köln zieht, können die Daten nicht übertragen werden und alle müssen noch einmal neu eingepflegt werden. In der NBP kann jede*r alle Daten mühelos mitnehmen. Und das ist ein großer Mehrwert.



Dr. Christian J. Büttner unterrichtete nach dem Studium der Wirtschaftspädagogik sieben Jahre an einer Beruflichen Schule in Nürnberg. Seit September 2018 ist er Leitender Direktor des Instituts für Pädagogik und Schulpsychologie Nürnberg IPSN. Als Direktor des regionalen Kompetenzzentrums Bildung für nachhaltige Entwicklung (RCE) ist er seit 2015 Sprecher der deutschen RCEs und vom Bundesministerium für Bildung und Forschung in das Fachforum Kommunen der Nationalen Plattform für BNE berufen. Von 2014 bis 2021 war Christian Büttner Koordinator für IT an Nürnberger Schulen und für die Entwicklung und Umsetzung der Nürnberger IT-Strategie: „Lernen und Lehren im Digitalen Zeitalter an Nürnberger Schulen“ verantwortlich. In dieser Funktion vertrat er die Stadt Nürnberg u.a. im Bayerischen und Deutschen Städtetag und ist seit Dezember 2017 erster Vorsitzender des Bündnis für Bildung e.V..




Autor(in): Petra Schraml
Kontakt zur Redaktion
Datum: 14.09.2023
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