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Bildung + Innovation Das Online-Magazin zum Thema Innovation und Qualitätsentwicklung im Bildungswesen

Erschienen am 26.03.2020:

„Nur partnerschaftlich kommen wir wirklich weiter.“

Maßnahmen der Gleichstellungspolitik
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Bundesfrauenministerin Dr. Franziska Giffey
Bildrechte: Bundesregierung/Jesco Denzel

Bundesfrauenministerin Dr. Franziska Giffey hat im Januar 2020 das Jahr der Gleichstellung eingeläutet und ihre Pläne vorgestellt. So startete u.a. das Programm „Gegen Gewalt an Frauen“, und die Verabschiedung einer Gleichstellungsstrategie der Bundesregierung wurde angekündigt. Außerdem ist die Gründung eines Gleichstellungsinstituts geplant.


In Deutschland sind Frauen und Männer zwar nach dem Grundgesetz gleichberechtigt, doch in vielen Bereichen sind sie immer noch nicht gleichgestellt. Bundesfrauenministerin Dr. Franziska Giffey hat deshalb eine Gleichstellungsstrategie entworfen und zur Abstimmung an die anderen Ministerien gegeben. Die Gleichstellungsstrategie sieht vor, dass die Bundesregierung bei allen Gesetzen und Förderprogrammen die Gleichstellung von Frauen und Männern berücksichtigt. Konkrete Ziele sind außerdem die Entgeltgleichheit, die eigenständige wirtschaftliche Sicherung von Frauen bis hin zur Rente, die gleichberechtigte Verteilung von Erwerbs- und Sorgearbeit zwischen Männern und Frauen sowie die gleichberechtigte Vertretung in Kultur, Wissenschaft, Demokratie und auf Führungspositionen. Bis zum Sommer soll die Strategie im Kabinett verabschiedet werden.

Der Gender Pay Gap
In Deutschland gibt es verschiedene Kennziffern, die den Stand der Gleichstellung von Frauen und Männern anzeigen. Der geläufige Gender Pay Gap verdeutlicht die Lohnlücke zwischen beiden Geschlechtern. Überall in Europa verdienen Frauen weniger als Männer, in Deutschland liegt die Entgeltlücke bei 21 Prozent. Selbst bei gleicher Qualifikation und gleichen Merkmalen beträgt der Entgeltunterschied zwischen Frauen und Männern immer noch sechs Prozent.
Die Gründe dafür sind vielfältig. So wählen Frauen häufiger soziale oder personennahe Dienstleistungen, die schlechter bezahlt werden als beispielsweise die technischen, oft von Männern bevorzugten Berufe. Dazu kommen die familienbedingte Erwerbsunterbrechung und der anschließende Wiedereinstieg in Teilzeit und Minijobs. 47 Prozent der sozialversicherungspflichtig beschäftigten Frauen arbeiten in Teilzeit, knapp 62 Prozent aller Minijobs werden von Frauen ausgeübt. In Führungspositionen sind sie nach wie vor unterrepräsentiert. Auch Rollenstereotype und geschlechtsspezifische Zuschreibungen wirken noch immer bei Arbeitsbewertung, Leistungsfeststellung oder Stellenbesetzung und führen nicht selten zu indirekter Benachteiligung. Die daraus resultierenden niedrigeren Einkommen über den Lebensverlauf haben auch niedrigere Alterssicherungsansprüche zur Folge.

Maßnahmen der Bundesregierung
Um der Lohnlücke entgegenzuwirken, hat die Bundesregierung bereits Maßnahmen auf den Weg gebracht. Von der Einführung des allgemeinen gesetzlichen Mindestlohns profitieren Frauen in niedrig entlohnten Dienstleistungsbereichen und in geringfügiger Beschäftigung. Mit dem Ausbau der Kinderbetreuung, dem Elterngeld und dem ElterngeldPlus sowie mit der Verbesserung der Familienpflegezeit werden Anreize für weniger und kürzere familienbedingte Erwerbsunterbrechungen und eine rasche Rückkehr in den Beruf geschaffen. Zudem werden mit dem Aktionsprogramm „Perspektive Wiedereinstieg“ die Ein- und Aufstiegschancen von Frauen nach einer familienbedingten Erwerbsunterbrechung verbessert. Das Gesetz für die gleichberechtigte Teilhabe von Frauen und Männern an Führungspositionen in der Privatwirtschaft und im öffentlichen Dienst hat eine Geschlechterquote in Aufsichtsräten eingeführt und verpflichtet große Unternehmen zu verbindlichen Zielgrößen. Damit Unternehmerinnen der Start in die selbstständige Erwerbstätigkeit erleichtert wird, wurde die bundesweite gründerinnenagentur (bga) eingerichtet. Rollenbilder und Stereotype sollen mit der „Initiative Klischeefrei“ und den Aktionstagen Girls’ Day und Boys’ Day aufgebrochen werden. Diese Initiativen stoßen eine Berufsorientierung und Berufsberatung an, die sich an individuellen Fähigkeiten und Bedürfnissen orientiert und nicht an der Geschlechtszugehörigkeit.

Das Entgelttransparenzgesetz
Ein weiterer wichtiger Schritt auf dem Weg zur Gleichstellung ist das Gesetz zur Förderung der Transparenz von Entgeltstrukturen, das seit dem 6. Juli 2017 in Kraft ist. Es soll das Prinzip „Gleicher Lohn für gleiche oder gleichwertige Arbeit“ in der Praxis stärken. Mit dem Entgelttransparenzgesetz und dem darin festgeschriebenen individuellen Auskunftsanspruch haben Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in Betrieben und Dienststellen mit mehr als 200 Beschäftigten die Möglichkeit zu erfahren, nach welchen Kriterien sie bezahlt werden und wie sich ihr Entgelt zusammensetzt.

Der Equal Pay Day - eine vom Bundesfamilienministerium geförderte Initiative des Vereins BPW Germany (Business und Professional Women Germany) - markiert symbolisch den Tag des Jahres, bis zu dem Frauen umsonst arbeiten, während Männer seit Jahresbeginn für ihre Arbeit bezahlt werden. Der Equal Pay Day 2020 war der 17. März. Eine von der Bertelsmann Stiftung geförderte Untersuchung des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) und der Freien Universität Berlin, am selben Tag erschienen, kam zu dem Ergebnis, dass Frauen in Deutschland über ihr gesamtes Erwerbsleben hinweg nur etwa halb so viel verdienen wie Männer! Vor allem Kinder tragen zu einer Minderung des Lebenseinkommens bei - und zwar deutlich bei Müttern, aber „so gut wie gar nicht“ bei Vätern, so die Studie. Denn hauptsächlich Mütter nehmen Auszeiten im Erwerbsleben, und bei Frauen im Alter zwischen 30 und 50 ist Teilzeit die „dominante Erwerbsform“.

Gender Care Gap
Ein weiterer Indikator, der den Stand der Gleichstellung von Frauen und Männern misst und im zweiten Gleichstellungsbericht der Bundesregierung Anfang 2019 entwickelt wurde, ist der Gender Care Gap. Er zeigt den unterschiedlichen Zeitaufwand auf, den Frauen und Männer für unbezahlte Sorgearbeit aufbringen. Diese Tätigkeiten umfassen sämtliche Arbeiten in Haushalt und Garten, die Pflege und Betreuung von Kindern und Erwachsenen sowie ehrenamtliches Engagement und unbezahlte Hilfen für andere Haushalte. Aus dem Gutachten für den Zweiten Gleichstellungsbericht der Bundesregierung geht hervor, dass Frauen für Care-Arbeit deutlich mehr Zeit aufwenden als Männer. Der Gender Care Gap beträgt 52,4 Prozent. Das bedeutet, Frauen verwenden durchschnittlich täglich 52,4 Prozent mehr Zeit für unbezahlte Sorgearbeit als Männer. So leisten Männer pro Tag im Schnitt zwei Stunden und 46 Minuten unbezahlte Sorgearbeit, bei Frauen sind es vier Stunden und 13 Minuten. Auch das hat kürzere Arbeitszeiten von Frauen zur Folge. Anders herum: Eine partnerschaftliche Verteilung der Sorgearbeit kann Voraussetzung für gleichberechtigte Chancen von Frauen und Männer auf dem Arbeitsmarkt sein.

Gleichstellungsjahr 2020

Neben der Entgeltgleichheit und der gleichberechtigten Verteilung von Erwerbs- und Sorgearbeit zwischen Männern und Frauen sind weitere konkrete Maßnahmen der Gleichstellungspolitik 2020 geplant oder wurden bereits in Angriff genommen. So fördert das Bundesministerium für Frauen das Programm „Gemeinsam gegen Gewalt an Frauen“, das Digitale Deutsche Frauenarchiv (DDF), aber auch das Projekt „Männer stärker in die Gleichstellungspolitik - Vernetzung, Beratung, Ansprache und Unterstützung“ des Bundesforums Männer. Ministerin Giffey betont: „Von echter Gleichstellung sind wir noch weit entfernt - solange Frauen viel schlechter bezahlt werden als Männer, solange sie in Führungspositionen unterrepräsentiert sind und viel häufiger Opfer von Partnerschaftsgewalt werden, braucht es den besonderen Fokus auf die Frauenpolitik. Aber auch Männer brauchen Unterstützung, zum Beispiel wenn es um die Vereinbarkeit von Familie und Beruf geht. Deshalb müssen auch sie Adressaten und Nutznießer unserer Gleichstellungspolitik sein. Denn nur partnerschaftlich kommen wir wirklich weiter.“

Das Bundesfrauenministerium investiert in den Jahren 2020 bis 2023 120 Millionen Euro in den Aus-, Um- und Neubau von Frauenhäusern und Beratungsstellen in Deutschland, damit jede Frau in einer Notsituation schnelle Hilfe und Unterstützung bekommt. Daneben sollen neue räumliche Kapazitäten und innovative Wohnformen für Frauen geschaffen werden, die von Gewalt betroffen sind und gemeinsam mit ihren Kindern Schutz suchen. Die Bauförderung wird in enger Kooperation mit den Ländern und Kommunen durchgeführt.

Mit dem Digitalen Deutschen Frauenarchiv soll sichtbar werden, was die deutsche Frauenbewegung bereits erreicht hat. Das Fachportal präsentiert erstmals weiterführende Informationen zur Geschichte der Frauenbewegung. Darunter finden sich zahlreiche Originaldokumente wie Briefe, Fotos oder historische Tonaufnahmen. 40 Frauen- und Lesbenarchive, -bibliotheken und -dokumentationsstellen aus Deutschland, Österreich, Luxemburg, Italien und der Schweiz sind beteiligt.

Männer, die sich in Problem- und Krisensituationen befinden, sollen mit dem Projekt „Männer stärker in die Gleichstellungspolitik - Vernetzung, Beratung, Ansprache und Unterstützung“ des Bundesforums Männer besser unterstützt werden. Das Projekt wird seit Februar 2020 bis Mitte 2022 gefördert, um die qualitative Männerberatung und -arbeit und deren flächendeckende Vernetzung weiterzuentwickeln. Zwei weitere Projekte, die ebenfalls für zwei Jahre gefördert werden, sind die Weiterbildung von Multiplikatoren für männerfokussierte Beratung durch den Sozialdienst katholischer Männer sowie die bundesweite Fach- und Koordinierungsstelle Männergewaltschutz der Landesarbeitsgemeinschaft Jungen- und Männerarbeit Sachsen e.V. in Dresden, die unter anderem Kommunen und Ländern dabei helfen soll, neue Unterstützungsstrukturen zu etablieren und bestehende Männerschutzprojekte fachlich zu begleiten.

Genutzt werden soll auch die EU-Ratspräsidentschaft, die Deutschland ab dem Sommer übernimmt, um die Frauenrechte und die tatsächliche Gleichstellung von Frauen und Männern in Deutschland und in Europa voranzubringen.




Autor(in): Petra Schraml
Kontakt zur Redaktion
Datum: 26.03.2020
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