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Bildung + Innovation Das Online-Magazin zum Thema Innovation und Qualitätsentwicklung im Bildungswesen

Erschienen am 21.02.2013:

Legasthenie oder LRS?

Nicht jede Lese-Rechtschreib-Schwäche ist eine Legasthenie

Eine Lese-Rechtschreib-Störung oder -Schwäche hat oft weitreichende Folgen: Die betroffenen Schülerinnen und Schüler verlieren an Selbstbewusstsein und haben oft große Schwierigkeiten bei der Ausbildungsplatzsuche. Eine individuell angepasste Therapie kann weiterhelfen.


Mindestens fünf Prozent der Schülerinnen und Schüler eines jeden Jahrgangs entwickeln keine ausreichende Rechtschreibkompetenz, obwohl sie intelligent sind und regelmäßig zur Schule gehen. Ein Umstand, der die jungen Menschen auf ihrer Berufs- und Ausbildungsplatzsuche vor große Probleme stellt. Und schon während der Schulzeit fühlen sich Kinder mit einer Lese-Rechtschreib-Störung oft ausgegrenzt und unfähiger als ihre Mitschüler. Dabei ist längst erwiesen, dass Legasthenie eine genetische Störung ist, die zwar die Lese- und Rechtschreibfähigkeit erheblich beeinträchtigt, oft sogar aber mit einer überdurchschnittlich kreativen und technischen Begabung einhergeht. Albert Einstein zum Beispiel oder Thomas Alva Edison sind berühmte Persönlichkeiten, bei denen eine Lese-und Rechtschreib-Störung diagnostiziert wurde.

Ursachen der Legasthenie

Die Ursachen der Legasthenie sind noch nicht vollständig erforscht. Legasthenie gilt heute als eine genbedingte Störung im Bereich Lesen und Schreiben. Oft liegt der Legasthenie eine Beeinträchtigung der akustischen und oder visuellen Wahrnehmung zugrunde. In dem Fall verarbeitet das Kind die von den Augen und/ oder Ohren aufgenommenen Reize im Gehirn anders und hat dadurch Schwierigkeiten beim Lesen- und Schreibenlernen. Die von akustischen Wahrnehmungsstörungen betroffenen Menschen können beispielsweise schnell aufeinander folgende Töne oder Tonhöhen oft nicht korrekt unterscheiden, weshalb sie keine normale phonologische Bewusstheit ausbilden. Leseschwache Kinder können Sprache auch oft nur in kleineren Einheiten aufnehmen. Sie brauchen somit beim Lesen deutlich länger und am Ende eines Satzes ist ihnen der Inhalt des Satzanfangs nicht mehr bewusst. Die mit der visuellen Wahrnehmung verbundene Raumwahrnehmung ist bei Legasthenikern ebenfalls defizitär und äußert sich z.B. beim Lesen durch ein Überspringen von Zeilen oder Wörtern.

Nicht jede LRS ist eine Legasthenie
Nicht immer aber liegt eine Legasthenie vor, wenn Kinder sich mit dem Lesen und Schreiben schwertun. Während die Legasthenie eine genetisch verursachte Störung im Bereich Lesen und Schreiben ist, die durch normales Üben nicht bewältigt werden kann, ist die Lese-Rechtschreib-Schwäche (LRS) eine erworbene vorübergehende Schwäche, die ihre Ursachen meist in äußeren Umständen hat. Das können zum Beispiel eine längere krankheitsbedingte Abwesenheit vom Unterricht, falsche Lehr- oder Lernmethoden, familiäre Probleme oder psychologische Konflikte wie die Trennung der Eltern, der Tod eines nahen Angehörigen oder eines geliebten Haustieres sein. Ebenso kann ein Migrationshintergrund Anlass für besondere Probleme bei der sprachlichen Verarbeitung sein. Auch gibt es Zusammenhänge zwischen LRS und Aufmerksamkeitsdefizitstörungen (ADS).

Eine Differenzierung der beiden Begriffe wird im deutschsprachigen Raum selten vorgenommen. In der Regel werden die Lese-Rechtschreib-Schwäche (LRS) und die Legasthenie als gleichbedeutend verstanden: Das Kind hat Schwierigkeiten beim Lesen und/oder Schreiben. Dabei ist es sehr wichtig, eine Unterscheidung zu treffen, da die Therapie- und Förderansätze für beide sehr unterschiedlich sind.

Therapiemöglichkeiten
Es gibt heute viele und vielfältige Diagnosetechniken und Therapiemöglichkeiten, die individuell auf den Entwicklungsstand der Kinder angepasst werden müssen. Bei der Legasthenie ist eine Förderung in den Bereichen Aufmerksamkeit, Sinneswahrnehmungen und Symptomen wichtig. Hier wird unterschieden zwischen dem Training kognitiver Funktionen (zum Beispiel visuell-räumliche Wahrnehmung, Blickbewegungstraining), dem Re-Programmieren neurologischer Defizite (zum Beispiel Lateralitäts- und Hörtraining, Tonschwellenunterscheidung) sowie dem symptomspezifischen Training (zum Beispiel Förderung von phonologischer Bewusstheit, Aneignung von Regelwissen der Rechtschreibung). Bei der LRS hingegen liegt der Schwerpunkt auf der Symptomatik, also dem Erlernen von Rechtschreibregeln und dem Arbeiten an den Fehlern.

In den vergangenen Jahren wurden auch Lernprogramme entwickelt, die spezifische Lern- und Wahrnehmungsschwierigkeiten bei Legasthenie und LRS aufgreifen. Sie beinhalten u.a. Aufgaben zur Fehlerreduktion und Wortschatzarbeit, Lese- und Konzentrationsübungen mithilfe von Memory-Spielen oder Buchstabenpuzzles, Wahrnehmungs- und Hörtrainer. Durch einen spielerischen Zugang zu der Welt der Buchstaben und Wörter sollen Berührungsängste abgebaut und die Lernmotivation gesteigert werden.
Die besten Lernerfolge werden in jedem Fall erzielt, wenn die Förderung in Schule, Elternhaus und außerschulischen Spezialeinrichtungen ineinandergreifen.

Ein neues Projekt in Frankfurt
Ein neues Projekt zur Lese-Rechtschreib-Schwäche richtet sich an Frankfurter Schüler der 5. bis 10. Klassenstufe. Das Projekt „Therapie der Lese-/Rechtschreibschwäche auf der Grundlage qualitativer Fehleranalysen“ unter der Leitung von Prof. Günther Thomé ist am Institut für Psycholinguistik und Didaktik der deutschen Sprache der Goethe-Universität Frankfurt angesiedelt und geht bis zum Jahr 2015. Ziel des Projektes ist es, allen teilnehmenden Schülerinnen und Schülern zu einer deutlichen Verbesserung der Lese- und Rechtschreibleistung zu verhelfen und somit ihre (Aus-)Bildungschancen zu erhöhen.

Das Projekt umfasst wöchentliche Therapiesitzungen à 45 Minuten. Die Schüler müssen regelmäßig freie Texte schreiben, die auch die Grundlage für die fortlaufenden Analysen des Rechtschreibprofils und der adäquaten Therapieangebote sind. Individuelle orthographische Problemfelder werden erhoben und mit dem betreffenden Schüler bearbeitet. Eine offene, lernfördernde Atmosphäre soll Spaß am Lesen und Schreiben vermitteln – auf Diktate wird ganz verzichtet.

Aus ihren Erfahrungen heraus sind die Projektleiter zuversichtlich, dass sich durch diese symptomspezifische, individuell angepasste Behandlung ein Therapieerfolg bei der überwiegenden Zahl der betroffenen Schülerinnen und Schüler mit einer ärztlich bescheinigten Legasthenie in ein bis zwei Jahren, oft sogar unter einem Jahr, einstellen wird.

Autor(in): Petra Schraml
Kontakt zur Redaktion
Datum: 21.02.2013
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