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Bildung + Innovation Das Online-Magazin zum Thema Innovation und Qualitätsentwicklung im Bildungswesen

Erschienen am 11.01.2024:

Politische Bildung inklusiv ausrichten

In dem Projekt „Wie geht Demokratie?“ lernen Menschen mit Behinderung ihre Rechte kennen
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Bildrechte: Gerd Altmann auf Pixabay

Menschen mit Behinderung für die eine Betreuung angeordnet ist, dürfen seit 2019 wählen. Damit sie wissen, wie der deutsche Staat und politische Prozesse funktionieren und sie die für sie richtige Wahl treffen können, lernen junge Menschen mit Betreuungsbedarf in dem Projekt „Wie geht Demokratie?“ ihre Rechte als Bürger*innen kennen. Sie werden auch darin bestärkt, für ihre Bedürfnisse und Interessen selbstständig einzutreten. Durchgeführt wird das Projekt von der Arbeitsgemeinschaft katholisch-sozialer Bildungswerke e.V. (AKSB) und lokalen Trägern der Jugendhilfe.


Menschen mit Behinderung bleibt eine gleichberechtigte Teilhabe am gesellschaftlichen und politischen Leben oft verwehrt. Das betrifft auch das Wahlrecht. In Deutschland waren bis vor einigen Jahren mehr als 85.000 volljährige Menschen mit Behinderung vom Wahlrecht ausgeschlossen. Doch das Bundesverfassungsgericht entschied 2019, dass Menschen mit Behinderung für die eine Betreuung angeordnet ist, wählen dürfen. Mit dem anschließenden Beschluss des Bundestages zum inklusiven Wahlrecht wurde ihnen dieses Recht zugesprochen. Seitdem dürfen alle Menschen wählen und es gilt das inklusive Wahlrecht. Doch zu einer individuellen politischen Meinungsbildung und Befähigung zur Teilhabe an politischen Prozessen gehört auch das Wissen über politische Grundbegriffe und Beziehungen. Damit Menschen mit Behinderung eine fundierte Wahlentscheidung treffen können, muss auch die politische Bildung inklusiv ausgerichtet sein.

Die AKSB
Die in Bonn ansässige, 1952 gegründete Arbeitsgemeinschaft katholisch-sozialer Bildungswerke e.V. (AKSB) engagiert sich schon viele Jahre in der politischen Bildungsarbeit und setzt sich auch für inklusive politische Bildungsarbeit ein. Dem bundesweit tätigen Fachverband politischer Erwachsenen- und Jugendbildung gehören rund 60 katholische Akademien, Bildungseinrichtungen, Vereine und Verbände an, die pro Jahr gemeinsam mit der Geschäftsstelle über 700 politische Bildungsveranstaltungen - Tagungen, Kurse, Projekte - durchführen. Schwerpunkte der politischen Bildungsarbeit sind unter anderem die Klimakrise und die sozial-ökologische Transformation, die Digitalität, Demokratie und Partizipation, Populismus, die Zukunft Europas und benachteiligte Jugendliche. Projekte zu gesellschaftlich und politisch bedeutenden Themen stehen in der Regel allen Mitgliedseinrichtungen zur Mitwirkung offen. Zu den aktuellen Projekten gehören „Der Grundkurs politische Bildung“ oder das bundesweite Projekt „RespACT“, das Jugendliche durch politische Bildung gegen unterschiedliche Formen des Extremismus, Rassismus und gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit stärken will. Es fördert ihre Selbstwirksamkeit, Selbstbefähigung und Meinungsbildung und sensibilisiert sie für Fragen der gesellschaftlichen Vielfalt.

Das Projekt „Wie geht Demokratie?“

In dem bundesweiten Projekt „Wie geht Demokratie?“ lernen junge Menschen mit Betreuungsbedarf ihre Rechte als Bürger*innen kennen und werden darin bestärkt, für ihre Bedürfnisse und Interessen selbstständig einzutreten. Das Projekt vermittelt ihnen Wissen darüber, wie der deutsche Staat funktioniert, wie man sich im Internet informieren kann und welche Rechte man als Arbeitnehmer*innen und Bewohner*innen in Werkstätten und Wohneinrichtungen hat. Außerdem zeigt es auf, wie Betroffene alleine oder zusammen mit anderen aktiv werden können. Gefördert vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) im Rahmen des Bundesprogramms „Demokratie leben!“ werden an drei lokalen Modellstandorten - den AKSB-Mitgliedseinrichtungen Akademie Klausenhof, Hamminkeln (Nordrhein-Westfalen), Caritas-Pirckheimer-Haus, Nürnberg (Bayern) und dem Nell-Breuning-Haus in Herzogenrath (Nordrhein-Westfalen) - in Kooperation mit lokalen Trägern der Jugendhilfe inklusive Bildungskonzepte, Seminarreihen und innovative Methoden entwickelt und durchgeführt. Das Projekt ist im Januar 2020 gestartet und hat eine Laufzeit bis zum 31. Dezember 2024.

Denkweisen verändern
Nach den bisherigen Erfahrungen der Akademie Klausenhof ist die Unterstützung von Fachkräften, Räten und Netzwerkpartnern für Inklusion und politische Bildung von Menschen mit starken Lernschwierigkeiten entscheidend. Indem Fachkräfte und Räte der am Projekt beteiligten Einrichtungen mit den Bewohner*innen darüber sprechen, was politische Bildung bedeutet, stärken sie sie in ihren Kompetenzen und ihrer Selbstwirksamkeit. Kreative Mittel wie niedrigschwellige Spiele, in denen ein Grundverständnis von Demokratie vermittelt wird, inklusive Theaterstücke oder Videoclips helfen dabei. Der Erfahrungsbericht der Akademie Klausenhof zeigt, dass die jungen Menschen mit Lernschwierigkeiten im Verlauf des Projekts schon deutlich selbstbewusster geworden sind. Sie zeigen jetzt auf, wenn ihnen etwas unverständlich ist und sie die Programme der politischen Parteien oder die politischen Bildner*innen nicht verstehen, weil diese die Kriterien für leichte Sprache nicht erfüllen. Auch das Nell-Breuning-Haus macht politische Themen wie Wählen, Mitbestimmen oder Rassismus so begreiflich, dass Menschen mit starker Lernbeeinträchtigung ihre Beteiligungschancen verstehen und ergreifen können. Mitarbeiter*innen des Nell-Breuning-Hauses gehen in den Wohngruppen der beteiligten Einrichtungen mit den Bewohner*innen an alltagsnahen Beispielen und Bildern durch, was alles politisch ist. So lernen sie, dass sogar die Essenszubereitung ein politischer Prozess sein kann, wenn sich alle an der Auswahl der Zutaten beteiligen. Um die trockene Materie und komplexe Sprache der Politik lebendiger und einfacher zu gestalten, haben sie auch schon mehrere Videos gedreht, wie zum Beispiel 2021 zur Bundestagswahl.

Eine Arbeitsbuch-Reihe
Für das Caritas-Pirckheimer-Haus in Nürnberg ist es wichtig, die inklusive Ausrichtung der politischen Bildung Schritt für Schritt zu gehen. Damit auch andere Akteur*innen der Bildungspraxis - Fachkolleg*innen in Bildungswerken und -häusern, in Werkstätten und in Wohneinrichtungen - von ihren Erfahrungen profitieren, hält es seine systematische Herangehensweise in einer Arbeitsbuch-Reihe fest, die eine gleichberechtigte politische Teilhabe von Menschen mit Lernschwierigkeiten unterstützt. Jedes der fünf Projektjahre von „Wie geht Demokratie?“ verfolgt ein Jahresthema, aus denen Handreichungen - sogenannte Schritt-für-Schritt-Anleitungen in leichter Sprache - für die bildnerische Praxis entstehen. Die illustrierten Bücher enthalten auch Konzepte und Materialien für Seminare mit der Zielgruppe und Fortbildungen für Fachkräfte. Im ersten Jahr behandelte das Caritas-Pirckheimer-Haus demokratische Teilhabemöglichkeiten in Deutschland. Daraus ist der Band „Demokratie und ich“ entstanden. Anlässlich der Bundestagswahl 2021 beschäftigte es sich mit dem Thema „Wie geht wählen?“. Das Buch dazu enthält verschiedene Methoden zur Veranschaulichung politischen Handels wie zum Beispiel die Gummibärchen-Methode zur Bundestagswahl, die mit farbigen Gummibärchen zeigt, wie sich aus Direktkandidaten und Landeslisten der Bundestag zusammensetzt. Die darauf folgenden Themen waren „Vielfalt in der Demokratie“ und „Meine Rechte in der Demokratie“. Bis zum Jahres- und damit auch bis zum Projektende erscheint noch ein Band zur Stärkung und zum Schutz der Demokratie.

 

 

Autor(in): Petra Schraml
Kontakt zur Redaktion
Datum: 11.01.2024
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